Ultrakurzzeit-Therapie hilft Patienten mit PTBS nach Aufenthalt in der Intensivstation

Rund ein Fünftel der Patienten, die von einer Intensivstation entlassen werden, entwickeln innerhalb eines Jahres Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Diese Menschen haben die stärkste Medizin mit viel körperlichem und psychischem Stress erlebt, haben dank der Intensivmedizin überlebt – und sind trotzdem oft unsicher und kommen im Alltag nicht wieder richtig in Tritt. Mit einer Gesprächstherapie namens „Narrative Expositionstherapie (NET)“ können Hausärzte diesen Betroffenen helfen. Bei der NET handelt es sich um eine evidenzbasierte Behandlung für Traumafolgestörungen, die auch von Nicht-Psychotherapeuten durchgeführt werden kann. Sie soll die „Unordnung“ im Gedächtnis der Patienten wieder sortieren – denn im Gehirn der Betroffenen sind die Geschehnisse auf der Intensivstation chaotisch abgespeichert. Mit der NET können Hausärzte, die meist als erste Anlaufstelle für die Betroffenen dienen, die Erinnerungen durch eine bestimmte Gesprächstechnik entdramatisieren. Die Intervention kann laut den Autoren die belastende Wartezeit auf einen Termin bei Fachkräften für psychische Gesundheit überbrücken, die in Deutschland bis zu 20 Wochen beträgt.

Im Schnitt dauert jede Sitzung 30 bis 45 Minuten. In einer kontrollierten Studie erhielten 160 Betroffene die neue Intervention (in drei Einzelsitzungen) und 159 die Standardbetreuung durch ihren Hausarzt. Zusätzlich erfolgten sieben wöchentliche Telefonvisiten durch eine medizinische Fachangestellte der Hausarztpraxis.

Resultat: Die Ultrakurzzeit-NET hat Zahl und Intensität der Flashbacks reduziert und das Denken der Patienten so verändert, dass sie nicht mehr die Schuld für die Erkrankung bei sich selbst suchen. Vermeidungsverhalten, also das Aus-dem-Weg-gehen von bedrohlichen Situationen, und die Übererregbarkeit wurden weniger beeinflusst, dafür aber die Stimmung der Patienten. Nach einem Jahr waren die Effekte immer noch nachweisbar, schwächten sich allerdings ab. „Insgesamt ein beachtliches Ergebnis für solch eine kurze Intervention“, findet Jochen Gensichen, der das Verfahren für „absolut praxistauglich“ hält.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt
Originalpublikation:

Effects of a general practitioner-led brief narrative exposure intervention on symptoms of post-traumatic stress disorder after intensive care (PICTURE): multicentre, observer blind, randomised controlled trial
doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2024-082092