Millionen Schmerzpatientinnen und -patienten nicht ausreichend versorgt!

Die Deutsche Schmerzgesellschaft fordert die Politik und alle an der Krankenhausreform beteiligten Akteure dazu auf, die Strukturen der Schmerzmedizin zu stärken. Für viele chronische Schmerzpatientinnen und -patienten bleibt eine adäquate Versorgung unerreichbar. Chronisch Schmerzkranke sind oft stark in ihrer Mobilität eingeschränkt. Die tägliche Fahrt zur Therapie wird zur unüberwindbaren Hürde, die die ohnehin schon belasteten Patientinnen und -patienten zusätzlich erschöpft und die Therapieerfolge konterkariert. „Viele Betroffene können ein interdisziplinär multimodales Therapieangebot (IMST) nicht in Anspruch nehmen, wenn sie zu weit weg wohnen, kein Auto haben, zu wenig Geld für tägliche Anfahrten und Parkgebühren, keine angemessene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben, oder schlichtweg im Rahmen ihrer Erkrankung zu erschöpft sind, um häufige Fahrten zu schaffen“. Eine aktuelle noch unveröffentlichte Studie zeigt:

Besonders für teilstationäre Einrichtungen wie Schmerztageskliniken und universitäre Schmerzambulanzen ergaben sich erschreckende Zahlen. Insbesondere mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist für 68 bis 75 Prozent der Betroffenen der Weg nur unrealistisch zu bewältigen.

Bei den 388 vollstationären Einrichtungen (davon 259 mit >75 Patienten/Jahr analysiert) ergab sich folgendes Bild: Für Anfahrt mit dem Auto in 39 Prozent kritisch und in 14 Prozent nicht realistisch, bei Anreise mit ÖPV in 61 Prozent kritisch, in 48 Prozent nicht realistisch. Hier stellt sich auch das Problem der Begründung für die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung, die nicht für alle Patienten mit dringlichem Therapiebedarf gegeben ist. Bei den 93 teilstationären Schmerztageskliniken (fast die Hälfte davon liegt in Bayern): sieht es so aus: Für Anfahrt mit dem Auto in 68 Prozent kritisch und in 49 Prozent nicht realistisch, bei Anreise mit ÖPV in 83 Prozent kritisch, in 75 Prozent nicht realistisch. Folgende Situation bei den 1.089 ambulanten spezialisierte schmerzmedizinischen Einrichtungen: Die ambulante, spezialisierte Basisversorgung ist bei weitem zahlenmäßig nicht ausreichend, um die Menge der Schmerzpatienten ambulant „aufzufangen“. In Deutschland gibt es bis zu 6 Millionen Betroffene, die eine hochspezialisierte ambulante Schmerztherapie benötigen. Zur oft schlechten Erreichbarkeit komme also noch das mangelhafte Versorgungsangebot in der Fläche hinzu. Eine ambulante leitliniengerechte Therapie ist somit oft nicht oder nur schwierig umsetzbar. Insbesondere interdisziplinär ausgerichtete ambulante Behandlungsangebote sind in der aktuellen Versorgungsstruktur gar nicht vorgesehen. Bis zu 60 Prozent der aktuell niedergelassenen Schmerztherapeutinnen und -therapeuten werden in den nächsten 10 Jahren aus der Versorgung ausscheiden. in den Plänen der Bundesregierung zur Klinikreform ist eine Förderung der spezialisierten Schmerzmedizin bisher nicht vorgesehen. Eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie wird aktuell in rund 450 Kliniken durchgeführt. Aktuell kommt es bereits zu Schließungen schmerzmedizinischer Einrichtungen, Neuplanungen werden eingestellt.

Weitere Informationen finden Sie unter www.schmerzgesellschaft.de

Sabine Nett