Regulatorische T-Zellen: Was die Nobel-Entdeckung für die Medizin bedeutet.
Der diesjährige Medizin-Nobelpreis ehrt die Entdeckung der sogenannten regulatorischen T-Zellen (Tregs). Die Tregs können verhindern, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Für die Medizin besonders interessant: Auf diesen Zellen basierende Therapien könnten künftig die Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Krebs und Abstoßungsreaktionen nach einer Organtransplantation ermöglichen, so Experten im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Den mit 11 Millionen schwedischen Kronen (rund eine Million Euro) dotierten Preis teilen sich Shimon Sakaguchi (Japan), Mary Brunkow und Fred Ramsdell (beide USA) für die Entdeckung der peripheren Immuntoleranz, die durch die Tregs vermittelt wird. Das teilte das Karolinska-Institut heute in Stockholm mit.
Zentral für die Kontrolle des Immunsystems sind demnach die von Sakaguchi Mitte der 1990er Jahre entdeckten regulatorischen T-Zellen (kurz Treg-Zellen oder Tregs), die wie Sicherheitskräfte wirken: Sie bremsen andere T-Zellen, verhindern Autoimmunreaktionen und sorgen dafür, dass das Immunsystem nach einer Abwehrreaktion wieder zur Ruhe kommt. Während in der Thymusdrüse bereits T-Zellen eliminiert werden, die körpereigene Strukturen erkennen – ein Prozess, der als zentrale Toleranz bezeichnet wird – verhindern die regulatorischen T-Zellen, dass schädliche T-Zellen, die diesen Test überleben, das eigene Gewebe angreifen. „T-Zellen zu verstehen, ist wichtig, um zu entschlüsseln, wie das Immunsystem unseres Körpers auf Infektionen reagiert und wie es für neuartige Therapien genutzt werden kann“, sagte Matthias Eberl, Professor für Translationale Immunologie an der University of Cardiff, dem Deutschen Ärzteblatt.
Basis für neue Therapieansätze
Einige Jahre nach Sakaguchis Entdeckung beobachteten Brunkow und Ramsdell, dass eine bestimmte Mutation des Gens Foxp3 Mäuse anfällig für Autoimmunerkrankungen macht. Sakaguchi zeigte kurz danach, dass dieses Gen für die regulatorischen T-Zellen zuständig ist. Die Entdeckung der Tregs sei entscheidend gewesen für das Verständnis, wie Immunreaktionen fein abgestimmt und unter Kontrolle gehalten werden – „damit sie hochspezifisch und wirksam gegen ihre Ziele sind und gleichzeitig Überreaktionen vermieden werden, die zu Organschäden führen können“, so Matthias Eberl.
Die Entdeckungen der drei Nobelpreisträger haben nicht nur das Grundverständnis des Immunsystems revolutioniert, sondern bilden auch die Basis für neue Therapieansätze. Bislang befinden sich diese Ansätze allerdings noch in der Erforschung. „Zurzeit sind noch keine Treg Transfer Produkte zugelassen“, sagte Christian Kurts, Direktor des Instituts für Experimentelle Immunologie am Universitätsklinikum Bonn, dem Deutschen Ärzteblatt. „Aber bei einigen Anwendungen im Bereich der Autoimmunerkrankungen laufen momentan klinische Studien.“
Mögliche Therapien gegen Krebs und Autoimmunerkrankungen
Kurts, der selbst zu Immuntoleranz forscht, hebt zwei grundsätzlich verschiedene Anwendungsbereiche, hervor: In der Onkologie sei das Ziel, die Aktivität der Tregs zu hemmen. Hintergrund sei, dass Tumorzellen über bestimmte Signalwege Tregs anlocken können, um sich so beispielsweise vor T-Killerzellen zu schützen (zur Erinnerung: Tregs können T-Killerzellen bremsen). Ein therapeutischer Ansatz sei dabei, die regulatorischen T-Zellen mit Hilfe spezieller Antikörper so zu markieren, dass sie in ihrer Aktivität stark gehemmt oder gar vom Immunsystem neutralisiert würden. Der Nachteil solcher Antikörper ist laut Kurts, dass sie unspezifisch sind, also auch gegen solche Tregs wirken, die eigentlich gebraucht würden. Dadurch werde das Immunsystem als Ganzes angeregt, Autoimmunreaktionen könnten die Folge sein. „Da muss man sehen, ob der Nutzen die Nebenwirkungen solcher Präparate überwiegt“, so der Experte.
Ein zweiter Anwendungsbereich seien Autoimmunerkrankungen. Hier ist das Problem, dass das Immunsystem Gewebezellen angreift, die es eigentlich in Ruhe lassen sollte. Forschende arbeiten daran, Patientinnen und Patienten Tregs zu entnehmen und im Labor so zu verändern, dass sie nur die fehlgeleitete Immunantwort bremsen, andere Antworten – zum Beispiel gegen Infektionen – aber intakt lassen. So werde versucht, unter anderem gegen Multiple Sklerose, Typ-1-Diabeters und Morbus Crohn vorzugehen. „Bislang sind diese Anwendungen auf Basis von Treg aber noch experimentell“, betonte Kurts.
Der Experte führte aus, dass die periphere Immuntoleranz je nach Organ unterschiedlich ausgeprägt sein könne. So würden E. coli.-Bakterien vom Immunsystem im Magen-Darm-Trakt geduldet, im Blutkreislauf aber bekämpft. Darum brauche man einen Mechanismus, der nur lokal Immuntoleranz vermittelt. „Dies kann durch Tregs entstehen, die nur in bestimmten Organen postiert sind“, so Kurts. Der Experte ist optimistisch: „Ich glaube, dass Therapien mit Tregs als Ziel Behandlungen insbesondere bei chronisch entzündlichen Erkrankungen möglich werden, die es bislang nicht gibt.“ Es sei aber schwer zu sagen, in welchem Bereich es zuerst eine Zulassung geben könnte.
Sabine Nett