Gesprächskreis in Bad Sooden-Allendorf

Fundierte Kenntnisse über die Krankheiten GBS, CIDP und ihre Varianten fördern die Lebensqualität von Betroffenen und ihren Angehörigen

Dr. Carsten Schröter, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Klinik Hoher Meißner, hat zu diesem Gesprächskreis eingeladen. Es trafen sich Betroffene und Angehörige und es fand ein reger Austausch statt. Großes Interesse fanden die drei Videos auf der Website der GBS CIDP Initiative.

Dr. Carsten Schröter stellte in einer umfassenden Präsentation die Krankheitsbilder GBS und CIDP und ihre Varianten vor.

Zunächst hob er einen wichtigen Unterschied zwischen Multipler Sklerose (MS) und GBS und CIDP hervor: Bei GBS, CIDP und ihren Varianten ist das periphere Nervensystem betroffen, bei MS hingegen ist es die Nervenstruktur des Gehirns und des Rückenmarks.

Bei GBS und CIDP kann man verschiedene Dynamik und unterschiedliches Betroffensein beobachten: Bei GBS ist der Verlauf schnell, bei CIDP ist der Erkrankungsprozess schleichend.

GBS und CIDP und ihre Varianten sind Erkrankungen, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion gegen bestimmte Antikörper bewirkt werden. Je nachdem, um welche Antikörper es sich handelt, können unterschiedliche Teile des Körpers betroffen sein. 

Es können motorische, sensible und autonome Nerven betroffen sein, es ist aber auch möglich, dass nur motorische Nerven angegriffen werden, wie bei der MMN (multifokalen motorischen Neuropathie).

Zum besseren Verständnis erklärte Dr. Schröter den Aufbau eines Nervs.

Die Impulse werden vom Zellkörper über das Axon weitergeleitet. Das Axon ist von einer Schutzschicht umhüllt, dem Myelin. Man könnte dies mit einem Stromkabel vergleichen. Das Myelin ist in bestimmten Abständen unterbrochen. Der Impuls springt von Abstand zu Abstand über das Myelin hinweg und die Weiterleitung wird schneller. Die Nerven für die Motorik sind schnell leitend, haben eine dickere Myelinschicht, die Nerven für Gefühlsübertragung haben weniger Myelin, sind also langsamer und die Nerven für die Temperaturübertragung haben fast kein Myelin.

Mit der Elektroneurographie können die Spannungsdifferenz und die Antwort der Muskeln auf Reize gemessen werden, z. B. die Geschwindigkeit der Weiterleitung (Nervenleitgeschwindigkeit).

Ein Beispiel: Besteht ein Leitungsblock, wie z. B. bei der multifokalen Neuropathie, wird bei Reizung am Handgelenk ein normal hoher Wert gemessen, jedoch bei Reizung am Ellenbogen ein niedriger.

Auf die Frage, ob es Unterschiede zwischen den Menschen gebe, erklärte Dr. Schröter, dass es Normwerte gibt, altersmäßige Unterschiede müssen berücksichtigt werden.

Das Guillain-Barré-Syndrom, GBS. Auslöser des GBS ist bei 40–70 % der Erkrankungen eine vorangegangene Infektion. Beobachtet wurden Infektionen mit Campylobacter jejuni, Mycoplasma pneumoniae, Epstein-Barr-Virus, Varizella-Zoster-Virus. Bei Personen mit HIV-Erkrankung tritt GBS gehäuft auf. Sehr selten wird beobachtet, dass GBS einer Impfung folgt.

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten:

Die Behandlung mit Immunglobulinen stellt eine breite Angriffsmethode dar. Eine Plasmapherese, „Blutwäsche“, ist eine alternative Behandlungsmethode, jedoch für den Patienten wesentlich anstrengender.

Eine zusätzliche mögliche Therapieform ist die Gabe von Eculizumab, einem Antikörper, der eine zielgerichtete Therapie für verschiedene Erkrankungen ermöglicht. In vergleichenden Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten, die zusätzlich zu Immunglobulinen Eculizumab erhalten hatten, nach 24 Wochen eine bessere Gehfähigkeit erreichen konnten. Besonders bei Patienten mit schwerem Verlauf könnte diese Therapieform von Vorteil sein. Bei CIDP wäre es sinnvoll, die Antikörper zu untersuchen, um eine gezieltere Therapie durchführen zu können.

Bei GBS ist auch die symptomatische Überwachung wichtig:

Herzkreislaufsystem und Atmung können in der akuten Phase beeinträchtigt sein, manchmal ist zeitweise ein Herzschrittmacher notwendig.

Prophylaxen zur Verhinderung von Lungenentzündung und Beinthrombose und Schmerzbehandlung müssen durchgeführt werden.

Störungen der Harnkontinenz und der Verdauung müssen behandelt werden.

Kontrakturen der Gelenke müssen verhindert werden.

Fatigue, das bedeutet allgemeine Schwäche und Müdigkeit, muss behandelt und berücksichtigt werden.

Der Verlauf des GBS zumeist ist günstig, nach 1 Jahr sind 70 % der Patienten symptomfrei. 20–40 % der Patienten haben Restsymptome.

Der schlechteste Zustand wird statistisch nach 9 Tagen erreicht, bei 98 % in den ersten 4 Wochen. Zwei Drittel der Patienten werden gehunfähig, ungefähr 25 % der Patienten benötigen künstliche Beatmung.

Bei 93–97 % der Patienten tritt das GBS nur einmal im Leben auf.

Die akute Form des GBS kann in die chronische Form – CIDP – übergehen: wenn es zu 3 oder mehr Schüben kommt oder zu einer Verschlechterung nach ungefähr acht Monaten.

Es werden auch verschiedene Varianten des GBS beobachtet.

Zur Abklärung von anderen Krankheiten ist es je nach Symptomatik sinnvoll, eine MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) durchzuführen. Beim GBS kann eine Verdickung der Nervenwurzel und der Cauda equina im Rückenmark beobachtet werden.

Varianten des GBS: Die bekannteste ist die AIDP = Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie, auch GBS genannt, sie tritt in Europa bis zu 90 % auf.

Die akute motorische axonale Neuropathie (AMAN) tritt in weniger als 10 % auf.

Miller-Fisher-Syndrom (MFS): Der Neurologe Charles Miller-Fisher hat eine Sonderform des GBS beschrieben: Betroffen sind die Augenmuskeln, die Bewegungskoordination (Ataxie) und das Fehlen der Reflexe (Areflexie). Dies tritt innerhalb von 1 Woche auf. Verbesserung ist in 1 bis 3 Monaten zu erwarten. Beim MFS können die Anti-GQ1b-Antikörper nachgewiesen werden.

Sehr selten tritt eine akute Pandysautonomie auf, hier ist nur das autonome Nervensystem betroffen, oder ein rein sensibles GBS.

CIDP – chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie:

In 12 % der Fälle tritt sie monophasisch auf, in 26 % schubförmig und in 62 % ist sie chronisch-progredient.

Symptome: Es treten symmetrische Paresen auf, rumpf-nah und rumpf-fern, mit meist geringen sensiblen Störungen. 20–40 % der Patienten haben Schmerzen (besonders bei der sensiblen Variante), 40 % haben das „Restless Legs“-Syndrom (Kühle kann Abhilfe schaffen). Bei 47 % treten geringe autonome Störungen auf, wie z. B. gastrointestinale oder urogenitale Störungen, 75 % leiden an Fatigue. Auch Tremor kann beobachtet werden.

Untersuchungen:

Beobachtung in der MRT: In 50 % der Fälle kann unter anderem eine Nervenhypertrophie, z. B. der Nervenwurzeln, des Plexus brachialis oder Plexus lumbalis, beobachtet werden.

Nervenbiopsie: kann zusätzliche Bestätigung der Diagnose bringen, muss genau abgewogen werden, ob es sinnvoll ist, sie durchzuführen.

Auch bei der CIDP können verschiedene Varianten beobachtet werden.

Die Therapie:

Im Gegensatz zum GBS kann bei vielen Varianten eine Behandlung mit Kortison erfolgen. Für die Langzeitbehandlung wird meist nach Alternativen zur Cortisonbehandlung gesucht. Die gängige Behandlung im Moment ist mit Immunglobulinen, die in regelmäßigen Abständen, unter Umständen auf Lebenszeit, durchgeführt werden muss. Neben der intravenösen Gabe ist heute auch die subkutane Verabreichung möglich. Dies ermöglicht den Patienten, sich besser in das Alltagsleben zu integrieren.

Bei Patienten, die mit vorgenannten Therapien keinen Erfolg hatten, können Plasmapherese oder Rituximab eine Lösung sein.

Bei den verschiedenen Varianten müssen jeweils die Therapie-Alternativen studiert werden, bei einigen ist es heute schon möglich, Antikörper durch Laboruntersuchungen zu identifizieren.

Fragen und Erfahrungsaustausch

Nach der ausführlichen Darstellung der Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten hatten die Teilnehmer im entspannten Gespräch die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Meinungen zu äußern und Erfahrungen auszutauschen.

Dr. Schröter stellte noch einmal klar heraus, dass bei CIDP im täglichen Leben drei wichtige Bereiche ineinandergreifen: die gezielte Therapie (z. B. mit Immunglobulinen), die kontinuierliche Rehabilitation (z. B. gezieltes Aktivieren und Training von Muskeln und Gelenken und der dazugehörenden Nerven durch Fachkräfte) und die eigene Initiative, sein Leben zu gestalten und seine Lebensqualität zu fördern, sei es durch Yoga, Sport, gesunde Ernährung und vieles mehr.

Die Teilnehmer dankten Dr. Schröter für seinen so informativen und partizipativen Vortrag, der ihnen ermöglichte, ihre eigene Krankheit besser zu verstehen.

Auch wir von der GBS CIDP Initiative danken Dr. Schröter, der Klinik Hoher Meißner und vor allen Dingen den Teilnehmern für den erfolgreichen Gesprächskreis und hoffen, dass wir uns, wie verabredet, im nächsten Jahr zu einem weiteren zusammenfinden werden.