Gesprächskreis, Stuttgart, 22. Mai 2019

Enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Betroffenen fördert das Behandlungsergebnis

Herr Dr. med. Axel Börtlein, Oberarzt und Leiter der neurologischen Tagesklinik im Klinikum Stuttgart, erklärte sehr anschaulich in einem kurzen Vortrag über GBS und CIDP das Krankheitsbild, die Diagnose und deren Behandlung und beantwortete sehr geduldig und überaus fachkundig die zahlreichen  Fragen der Teilnehmer.

In seinem dynamischen Vortrag stellte er wichtige Merkmale zu den beiden Krankheitsbildern und ihren Varianten heraus:

  • Da das Krankheitsbild sehr unterschiedlich sein kann, ist es wichtig, eine klare Abgrenzung zu anderen ähnlichen Krankheitsbildern zu treffen.
  • GBS und CIDP sind Krankheiten, die das periphere Nervensystem betreffen,
  • GBS und CIDP sind „immunogene Neuropathien“, die Myelinschicht der peripheren Nerven, manchmal auch die Axone, werden angegriffen.

GBS ist die akute Form: man beobachtet einen 4 wöchigen Verlauf, darauf schließt sich eine Plateauphase an, gefolgt von der Zurückbildung der Symptome. Häufig hatten die Patienten vorher eine Infektion, Z.B. mit Campylobacter jejuni.

Zunächst können Störungen auftreten, die mit einem Bandscheibenleiden verwechselt werden können, da die Patienten lumbale Rückenschmerzen und sensible Störungen haben. Es folgen fortschreitende Lähmungen, Schwäche der distalen und später proximalen Extremitäten, die körperferne Sensibilität ist vermindert, Verlust der Muskeleigenreflexe, manchmal sind Hirnnerven beteiligt (beim Miller Fisher Syndrom).

In schweren Fällen ist das autonome Nervensystem betroffen, die Lungenfunktion ist beeinträchtigt.

Untersuchungen: Zusätzlich zu den klinischen Untersuchungen kann der Liquor untersucht werden, der möglicherweise eine zytalbuminäre Dissoziation (erhöhte Konzentration von Eiweißen bei gleicher Zahl der Zellen) aufweist.

Kriterien für die Diagnose von GBS sind: das Gesamtbild der Krankheitszeichen und die Abgrenzung zu anderen Krankheiten,

Als Therapie werden entweder Immunglobuline intravenös gegeben oder es wird eine Plasmapherese durchgeführt. Wichtig sind die dauernde Überwachung und die Behandlung der auftretenden Symptome, um Komplikationen zu vermeiden.

CIDP, die chronische Form, erfolgt in Schüben. So wie bei Rheuma die Autoimmunreaktion die Gelenke betrifft, werden bei CIDP die peripheren Nerven angegriffen. Die Lähmungen und Verlust der Reflexe stehen im Vordergrund; die Betroffenen bezeichnen aber häufig die Sensibilitätsstörungen, zum Beispiel Schmerzen, als belastender.

Die Untersuchungen sind wie bei GBS, nur in Ausnahmefällen empfiehlt es sich, eine Nervenbiopsie zu machen.

Eine Magnetresonanztomographie hilft, eine Nervenstrangverdickung durch entzündete Nervenwurzeln, z.B. von Arm- oder Beinplexus, im Rückenmark festzustellen.

Auch bei CIDP ist es wichtig, andere Krankheiten auszuschließen.

Die Behandlung bei CIDP erfolgt durch Gabe von Immunglobulinen (intravenös oder subkutan), Plasmapherese oder Kortikosteroide, wobei letztere häufig unangenehme Nebenwirkungen mit sich bringen. Seit kurzem wird auch bei einigen Patienten der Antikörper Rituximab eingesetzt.

Die Prognose bei CIDP ist unterschiedlich: 60-80% erfahren mit der Behandlung eine Verbesserung. Dies ist auch davon abhängig, wie schnell die Krankheit diagnostiziert und behandelt wird. Es ist realistischer zu erwarten, dass der „Status Quo“, also der gegenwärtige Zustand, erhalten bleibt, als von einer Verbesserung auszugehen.

In der Fragerunde wurden unter anderem folgende Themen angeschnitten:

Welche Medikamente sind die richtigen?

  • Der Arzt muss den Krankheitsverlauf beobachten: „Was macht die Krankheit?“ und danach entscheiden, welches die richtige Behandlung ist.

Gabe von Immunglobulinen:

  • Börtlein empfiehlt, dass nach 6 Monaten eine Pause unter strenger Beobachtung durchgeführt wird, so dass die Möglichkeit besteht, eine sinnvolle Therapie anzubieten. „Therapie macht Sinn, dass behandelt wird, was wirklich behandelt werden soll.“
  • Pro und kontra zur subkutane Verabreichung von Immunglobulinen::
    • Die Patienten erhalten niedrigere Dosis, was bedeutet, dass wöchentlich behandelt werden muss
    • Die lokale Verträglichkeit muss sichergestellt sein
    • Die Patienten können selbständig die Behandlung zu Hause durchführen. Das ist von Vorteil für Patienten, die weiter weg wohnen oder zu wenig Mobilität haben, um zu einem Medizinischen Zentrum für die intravenöse Gabe zu kommen.
    • Die Patienten müssen damit verantwortungsvoll umgehen. Die regelmäßigen Arztbesuche müssen eingehalten werden
    • Viele haben Patienten so einen Mobilitätszuwachs und mehr Autonomie.

Ist CIDP heilbar?

  • CIDP ist nicht heilbar. Der Patient muss ständig überwacht werden. Zusätzlich zu den medikamentösen Therapien sind Physiotherapie, Ergotherapie etc. wichtig. Es sollen andere Sinne, wie Z.B. Tiefensensibilität und Gleichgewichtssinn trainiert werden. Dazu ist es von Vorteil, mit den Therapeuten einen gemeinsamen Plan auszuarbeiten.
  • Nicht vergessen darf man auch nicht, wenn neue Krankheitszeichen auftauchen sich zu fragen, ob dies Bestandteil von der CIDP ist, oder ob eine andere Krankheit aufgetaucht ist.
  • Eigenanspruch: Sollte nicht überzogen werden. Restsymptome bei GBS können hartnäckig sein, lange halten oder bleiben. Bei GBS und CIDP spielt die Krankheitsverarbeitung eine große Rolle, auch „akzeptieren, dass etwas zurückbleiben kann“ gehört dazu.

Wir dankendem Ärztlichen Direktor, Prof. H.-J. Bäzner für die freundliche Aufnahme und Herrn  Dr. Börtlein für den interessanten und aufschlussreichen Nachmittag und freuen uns auf eine mögliche neue Einladung im nächsten Jahr.

Hans-Joachim Groß, Inge Vogl-Broser

Bildquelle: https://www.klinikum-stuttgart.de/