vom medizinisch und wissenschaftlichen Beirat der Deutschen GBS CIDP Selbsthilfe: Prof. Helmar Lehmann (Köln), Prof. Peter Flachenecker (Bad Wildbad), Prof. Uwe K. Zettl (Rostock)
Liebe Mitglieder der GBS CIDP Selbsthilfe, liebe Patientinnen und Patienten, liebe Angehörige,
aufgrund des Starts der Impfung gegen COVID-19 in Deutschland möchten wir Ihnen eine Information des medizinischen Beirats zukommen lassen. Ein erster Impfstoff (BNT162b2 der Firmen BioNTech/Pfizer) ist in Deutschland zugelassen und wird bereits verwendet. Weitere Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung oder werden in klinischen Studien überprüft.
1. Sollte ich mich impfen lassen?
Aus unserer Sicht ist eine Impfung gegen COVID-19 grundsätzlich sinnvoll, wenn gegenwärtig bekannte Kontraindikationen wie akute Infekte oder Schwangerschaften ausgeschlossen sind. Aus diesem Grund ist eine individuelle Abklärung von Gegenanzeichen vor der geplanten Impfung notwendig.
2. Kann ich davon ausgehen, dass die Impfstoffe sicher und wirksam sind?
Nach den vorliegenden Daten kann davon ausgegangen werden, dass der bisher zugelassene Impfstoff grundsätzlich sicher ist. Impfstoffe müssen wie alle Arzneimittel in großen, sogenannten Phase III Studien auf ihre Sicherheit, Verträglichkeit und auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Diese Studien sind teilweise bereits publiziert und können eingesehen werden (für BNT162b2 der Firmen BioNTech/Pfizer hier: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577). Nur wenn die Wirksamkeit und Sicherheit hinreichend belegt ist, erfolgt die Zulassung durch die Behörden, wie für den Impfstoff BNT162b2. Daher kann von einer ausreichenden Sicherheit und Wirksamkeit ausgegangen werden. Aktuell werden weiter Technologien (über 200 registrierte Untersuchungen) zur Impfstoffherstellung wie Lebend- oder Tot- bzw. Vektorimpfstoffe gegen COVID-19 in verschiedenen Studienphasen geprüft, die unterschiedlichen Einfluss auf das Immunsystem der zu impfenden Person haben. Dies bedeutet, dass insbesondere für Patienten mit einer bestehenden Autoimmunerkrankung diese Frage für jeden Impfstoff individuell diskutiert werden muss.
3. Ich hatte mal ein Guillain-Barré-Syndrom. Soll ich mich impfen lassen?
Ein GBS in der Vergangenheit ist grundsätzlich keine Kontraindikation gegen eine Impfung. Aus den bisher bekannten Impfstudien gegen COVID-19 ist kein Fall eines GBS bekannt, der nach einer Impfung aufgetreten ist. Das Risiko, nach einem GBS durch die Impfung nochmals an einem GBS zu erkranken, ist daher als äußerst gering anzusehen. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile Berichte ärztlicher KollegenInnen (z.B. aus Italien) von Patienten, die zunächst an COVID-19 erkrankten und dann in der Folge ein GBS entwickelten. Das genaue Risiko ist bisher nicht bekannt. Aus unserer Sicht überwiegt der Nutzen einer Impfung gegen Corona, selbst wenn Sie an einem GBS erkrankt waren.
4. Ich leide an einer chronischen autoimmun-vermittelten Polyneuropathie (z.B. CIDP, MMN, Vaskulitis). Soll ich mich trotzdem impfen lassen?
Auch eine chronische autoimmun-vermittelten Polyneuropathie ist keine Kontraindikation gegen eine Impfung. Es gibt in diesem Zusammenhang gegenwärtig keine speziellen Sicherheitssignale bei Autoimmunerkrankungen. Bisher ist uns kein Fall bekannt oder in Studien publiziert worden, bei dem durch die Impfung eine der genannten Erkrankungen verschlimmert wurde. Auf der anderen Seite sind bereits mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen eine Corona-Infektion eine Vaskulitis ausgelöst hat bzw. Autoimmunerkrankungen verschlechtert wurden. Daher überwiegt aus unserer Sicht der Nutzen der Impfung.
5. Ich nehme ein immunsuppressives Medikament, soll ich mich trotzdem impfen lassen?
Auch bei einer Immundefizienz wird die Impfung empfohlen. Aufgrund des Wirkmechanismus des aktuellen Impfstoffes in Deutschland (mRNA-Impfstoff) geht man davon aus, dass dieser COVID-19-Impfstoff auch bei PatientInnen, die ein immunsuppressives Medikament nehmen, sicher ist. Die Zulassung des ersten Impfstoffs BNT162b2 ist diesbezüglich nicht eingeschränkt. Ob der Impfschutz genauso gut ist, kann bisher nicht sicher gesagt werden. In diesem Zusammenhang sind weitere Studienergebnisse sowie Erfahrungen aus der Routineanwendung notwendig, um diese Frage klar zu beantworten.
6. Wann werde ich die COVID-19-Impfung erhalten?
Grundsätzlich sollen allen Menschen in Deutschland die Impfung angeboten werden. Aktuell ist aber noch nicht ausreichend Impfstoff vorhanden. Daher hat die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Empfehlung abgegeben, dass Personengruppen, die ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs der Erkrankung haben, vorrangig geimpft werden. Hierzu zählen: BewohnerInnen von Senioren- und Altenpflegeheimen, Personen ≥80 Jahre, Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen oder in engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen (z.B. in der Onkologie oder Transplantationsmedizin), sowie Pflegepersonal in der Altenpflege. Andere Personengruppen werden den Impfstoff vermutlich erst etwas später angeboten bekommen. In der sog. Coronavirus-Impfverordnung ist festgelegt, in welcher Reihenfolge Patienten Anspruch auf die Impfung haben. Höhere Priorität haben demnach beispielsweise Patienten, die „das 70. Lebensjahr vollendet haben“ oder „bei denen ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht“. Erhöhte Priorität haben Personen, die „das 60. Lebensjahr vollendet haben“ oder „bei denen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht“. Besprechen Sie mit Ihrer Hausärztin oder Hausarzt, ob Sie zu einer dieser Gruppen gehören.
7. Ersetzt die Impfung das Tragen eine Maske bzw. die AHA-Regel?
Nein, die bestehenden Empfehlungen (AHA-Regeln) gelten weiterhin für alle Personen.
8. Hat die Impfung Nebenwirkungen?
Soweit bisher bekannt ist, können durch die COVID-19-Impfung, ähnlich wie bei jeder anderen Impfung per Injektion auch, meist lokale Nebenwirkungen auftreten. Diese treten in der Regel kurz nach der Impfung auf und halten nur für wenige Tage an. Hierzu können Schmerzen, Rötungen oder Schwellung an der Einstichstelle gehören oder auch Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Frösteln bzw. Fieber. In sehr seltenen Fällen wurden allergische Reaktionen beobachtet. Eine genaue Auflistung der Häufigkeit aller bisher bekannten Nebenwirkungen findet sich auf den Webseiten des RKI.
9. Wo kann ich mich über die Impfung informieren?
Informationen bieten zum Beispiel das RKI bzw. die STIKO:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Impfempfehlung-Zusfassung.html
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html
Von unserer Seite ist ein up-date beim Vorliegen neuer Studienergenisse bzw. Impfempfehlungen geplant.
Literatur:
- Beschluss der STIKO für die Empfehlung der COVID-19-Impfung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung (2021).STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung. Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 2. 14. Januar 2021 (online vorab)
- Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung–CoronaImpfV
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07.Januar 2021