Zoom-Meeting mit Prof. Dr. med. Min-Suk Yoon

Thema, die Therapie mit Rituximab

Am 02.06.2021 stand uns Herr Prof. Dr. med. Min-Suk Yoon, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie, Augusta Kliniken in Hattingen für ein Online-Patiententreffen zum Thema Rituximab zur Verfügung.

Frage: Was ist das Anti CD 20?

2 Monoklonale Antikörper führen zur Auflösung der Immunzellen. Was ist hier gemeint?

Prof. Yoon: 1. CD steht für „Cluster of Differentiation“. Blut Zellen tragen auf ihrer Oberfläche bestimmte Marker. Einer dieser Marker ist CD20, der sich im Reifungsprozess der Lymphozyten entwickelt. Das CD 20 ist ein Merkmal für eine Vorläuferzelle der B-Lymphozyten. Diese bilden später, wenn sie zur Plasmazelle gereift sind, die Antikörper.

2. Mit dem Auflösen der Immunzellen ist folgendes gemeint: Rituximab dockt an die CD20 positiven Zellen an und sorgt für eine Elimination der Zielzellen. Das führt nachfolgend zu einer deutlichen Reduktion der Plasmazellen, die Antikörper produzieren.

Die monoklonalen Antikörper markieren die Zelle und das Immunsystem eliminiert diese. Das merken die mit Rituximab behandelten Patienten bereits während der Infusion. Durch das Einwandern der Abwehrzellen und dem raschen Zellverfall, der sehr schnell voranschreitet, entwickeln sie Nebenwirkungen wie Schüttelfrost, Kloßgefühl im Hals oder ein kratziges Gefühl im Rachen. Das ist nur das Phänomen ist eine Akutwirkung des Medikamentes, die Patienten entwickeln können.

Frage: Werden mit dem Einsatz von Rituximab die B-Lymphozyten zerstört?

Prof. Yoon: Ja, aber nur gezielt die Zellen, die das Merkmal CD20 haben, alle anderen nicht. Das ist ein sauberes „Schloss- und Schlüsselprinzip“. Mit Rituximab schickt man eine ganze Armada los, mit der Aufgabe alle Zellen zu eliminieren die dieses eine besondere Merkmal tragen. Die Idee, dass dadurch keine Produktion von Antikörpern mehr stattfindet, ist nur ein Aspekt in der Wirksamkeit von Rituximab.

Einen noch höheren Anteil in der Wirksamkeit hat aber folgender Effekt: In der Entstehung von autoimmun Phänomenen werden Ziel-Proteine im Körper vom eigenen Immunsystem erkannt. Dann werden diese prozessiert, d.h. Fresszellen fressen diese Zielproteine und präsentieren das auf ihrer Oberfläche. Dieses anbieten des Antigens (Antigenpräsentation) führt dann zu einer Kaskade der Immunantwort. Die Unterbrechung der Antigen-Präsentation ist der viel größere Effekt. Der durchbrochene Teufelskreis der ständigen Antigen-Präsentation hat die entscheidende Rolle.

Frage: Regenerieren sich die B-Lymphozyten wieder nach dem Absetzen von Rituximab?

Prof. Yoon: Die allgemeine Beobachtung ist: Ja, das tun sie. Wenn allerdings Rituximab in hohen Dosen verwendet wird (z.B. in der Hämatoonkologie), kann eine sogenannte Knochenmarksuppression auftreten. Damit können die betroffenen Patienten sehr viel leichter Infektionen erleiden (Immundyskompetenz). Dieser Zustand kann mitunter sehr hartnäckig lange dauern.

In der Neurologie werden jedoch diese hohen Dosen nicht erreicht. Hinzu kommt, dass Rituximab in der Regel als Monotherapie eingesetzt wird und nicht in Kombination mit anderen Chemotherapien zur Anwendung kommt.

Innerhalb der Neurologie gibt es allerdings keine Vereinheitlichung einer Strategie im Einsatz von Rituximab, da bisher Studien diesbezüglich fehlen und es diese auch in Zukunft nicht geben wird. Die Dosierung reicht von 500 Milligramm bis 1000 Milligramm. Ein Vorbild in der Behandlung kann die Multiple Sklerose (MS) sein. Einige Kliniken machen alle 6 Monate eine Infusion mit 1000 Milligramm. Es wird nicht auf einen Anstieg der B-lymphozyten gewartet. Ein Grund hierfür ist, dass nur Abwehrzellen gemessen werden, die im Blut zirkulieren. In Bochum haben wir Einzeldosen von 500 mg verwendet und den Wiederanstieg der Zielzellen mittels der sog. FACS-Analyse monitoriert. Bei einem Anstieg der Zielzellen ist dann die nächste Infusion verabreicht worden.

Bei der Antikörper vermittelten Neuropathie hat Rituximab sicher einen Stellenwert. Die nodalen und paranodalen Antikörper entstehen an den Stellen wo die Schwann-Zellen aneinander stoßen. Bei diesen Erkrankungen hilft Rituximab sehr gut. Unter den CIDP Patienten beträgt der Anteil der Patienten mit den nodalen oder paranodalen Neuropathien aber lediglich 5-10%. Diese Patienten berichten über zittern, Tremor und Ataxien. Bei diesen Symptomen kann es hilfreich sein die Antikörper zu bestimmen. Sind diese dann positiv, sollte mit Rituximab behandelt werden.

Je länger man Menschen mit Rituximab behandelt, umso größer kann der Abstand zwischen den Infusionen werden. Das bedeutet, dass das Knochenmark länger braucht, um sich zu erholen. Es gibt Patienten, die einen Wiederanstieg der Zielzellen bereits nach 3 Monaten haben bzw. auch nach 2 Jahren noch keinen Anstieg. Warum es so große Unterschiede gibt, wissen wir nicht. Rituximab muss also mit Bedacht eingesetzt werden.

Merke:

Bei der reinen CIDP, heute sagt man, die CIDP eine „Spektrumerkrankung“, muss der Einsatz von Rituximab genau abgewogen werden.

Frage: Kann die Krankheit ohne Behandlung mit Rituximab wieder akut zurückkommen?

Prof. Yoon: Grundsätzlich ja, wenn z.B. ein Anstieg der Zellen verpasst wird oder nach Rituximab  eine Folgetherapie ausbleibt. Wenn man einen schwerkranken Menschen mit Rituximab stabilisiert und in der Folge immuntherapeutisch weiter behandelt, ist das aber zwingend nicht zu erwarten.

Frage: Seit 2019 wurde ich überhaupt nicht mehr behandelt.

Prof. Yoon: Ein Problem der CIDP Therapie ist, dass der Verlauf nicht bekannt ist. Beim einen oder anderen Patienten kann man eine Therapiepause in Erwägung ziehen. Die allerwenigsten Betroffenen sind bereit eine Pause einzuhalten, weil sie natürlich eine Verschlechterung befürchten. Wenn alles dafür spricht, kann man aber in die Therapiepause gehen. Natürlich mit der Option sofort wieder in die Therapie einzusteigen, sobald es schlechter wird.

Frage: Wie kann ich erkennen, dass es wirklich eine CIDP ist? Wie sieht es langfristig mit der Rituximab-Therapie aus? Kann ich damit lange leben? Kann Rituximab helfen?

Prof. Yoon: Ihre Ärzte haben sicher die Alternativen abgeklärt. Wir wissen das einige CIDP Erkrankte auf die Therapien nicht ansprechen. Wir wissen nur nicht warum. Die Frage, wie lang ein Medikament hilft, kann man nicht beantworten. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht lange leben können. In Bochum erhalten Patienten z. T. seit über 10 Jahren Rituximab. Die Erkrankung oder die Behandlung muss nicht die Lebenszeit verkürzen. Ich hoffe, wie ihr Arzt, dass die Therapie hilft und empfehle bei solchen Fragen unbedingt mit dem behandelnden Arzt zu sprechen.

Frage: Zur vorigen Frage möchte ich der Fragestellerin sagen, dass Ich jetzt zur 24. Infusion mit Rituximab gehe und in Köln jährlich 2 Sitzungen mit 1000 Milligramm Rituximab bekomme. Seit 2012 habe ich eine deutliche Verbesserung meiner Beschwerden und eine Stabilität erreicht. Ich würde sagen, Rituximab hilft.

Frage: Wie häufig sollte der CD 19 überprüft werden?

Prof Yoon: Die ersten 3 Monate nach der Infusion braucht man sicherlich keine B-Zellen bestimmen lassen. Bei einem gut etablierten Behandlungsrhythmus fehlt die Konsequenz dafür. Wenn man grundsätzlich allerdings keinen festen Rhythmus hat, sollte man ab dem 3. Monat in vier – sechs Wochenabständen schauen, ob die Zellen wiederkommen. Wenn diese dann wieder ansteigen, kann man die nächste Infusion planen. Wichtig ist es, mit dem Wiederanstieg der B-Zellen oder spätestens bei einer Symptomverschlechterung wieder zu infundieren.

Frage: Ist die Corona-Impfung problematisch bei Rituximab? Hat die Impfung überhaupt Erfolg hinsichtlich  der Immun-Antwort?

Prof. Yoon: Ja das ist problematisch, das muss man ganz klar sagen. Es gibt eine Arbeit, die zeigt, dass Patienten unter einer Immuntherapie eine schlechte Impfantwort haben. Möglich ist, dass man eventuell eine dritte Impfung bekommen muss. Ideal wäre die Impfung vor einer Rituximab Therapie. Ideal wäre auch ein zeitlicher Abstand von drei bis sechs Monaten zur Rituximab-Infusion. Dieses sind jedoch immer wieder Einzelfallentscheidungen, die der Patient mit seinem behandelnden Arzt besprechen muss.

Frage: Nach 20 Jahren einer CIDP wirken die Immunglobuline nicht mehr. Welche Argumente für eine Behandlung mit Rituximab könnte man einem Facharzt vortragen?

Prof. Yoon:

Nur bei 5 – 10% ist die Rituximab-Therapie die 1. Wahl.

Im Alltag erleben wir immer wieder die Situation der Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Symptome der Patienten und den objektiven Befunden (z.B. körperliche Untersuchung, neurophysiologische Messungen etc.). Wenn der Arzt klar sagen kann, ich sehe hier keine Veränderung, besteht aus meiner Sicht keine zwingende Notwendigkeit einer Therapieänderung. Wenn die Untersuchungsergebnisse allerdings Veränderungen zeigen, sollte man sich auch durchaus Therapieformen öffnen, von denen wir wissen, dass sie helfen können. Hilfreich können dabei einfache Angaben aus dem Alltag der Patienten sein, in der sie konkret beschreiben welche Art der Veränderungen sie meinen, z.B. das Umdrehen des Haustürschlüssels. Wenn diese einfache Tätigkeit immer problemlos möglich war, jedoch im Laufe der Therapie nicht mehr problemlos oder gar nicht mehr möglich ist, dann sollten die Patienten mit dem behandelnden Arzt sprechen.

Frage: Wenn keine Antikörper gefunden werden, sollte man das Rituximab also nicht anwenden?

Prof. Yoon: Nein, so kann man das nicht sagen.

Frage: Kann Rituximab Einfluss auf die Familienplanung nehmen?

Diese Frage konnte nicht beantwortet werden. Wir werden schauen, ob es irgendwo Hinweise dazu gibt.

Herzlichen Dank an Prof. Dr. med. Min-Suk Yoon, der uns zum Thema „Rituximab“ wertvolle Informationen vermitteln konnte und die zahlreichen Fragen der Teilnehmer umfassend beantwortete.