„Personalisierte Medizin bei GBS und CIDP“
Mit dem Untertitel, „Neue klinische, nervensonographische und laborchemische Aspekte, die zur Therapieauswahl helfen können“ wird verdeutlicht, welche Schwerpunkte, bezogen auf GBS und CIDP, gesetzt sind.
Die Corona-Lage führte nach der Premiere vom Frühjahr dazu, den schon für letztes Jahr geplanten Gesprächskreis online durchzuführen. Erneut führte uns Felix Burger auf Zoom routiniert durch die Konferenz mit den beiden Ärzten, Frau Dr. Pitarokoili und Herr Dr. Kronlage. Beiden Medizinern einen ganz besonderen Dank für die engagierten Vorträge und Fragenbeantwortung.
Frau Dr. Pitarokoili eröffnete Ihren Vortrag mit Folien zu einer Orientierung über diverse Ausfallerscheinungen bei GBS und CIDP
- Sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen
wie Taubheitsgefühl, Gefühl wie auf Watte zu gehen, Vermindertes Temperaturempfinden, schmerzlose Wunden, Gangunsicherheit in Dunkelheit - Motorische Ausfallerscheinungen
wie Muskelschwäche, nachlassende Ausdauer, Muskelatrophie, Parese der Zehenspreizung, Atrophie der kurzen Zehenextensoren (Muskeln für Streckung) - Autonome Ausfallerscheinungen
Haut, trophische Störungen (Ödem, Ulzera (Geschwür), Osteoarthropathie (Schwellung in Röhrenknochen, z.B. Oberarm), Hypo-/Anhidrose (fehlende Schweißsekretion), Sicca Syndrom (trockene Augen)
Vasomotorisch (Gefäßnerven betreffend), Orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall),
Intoleranz Rubeosis plantarum (Hautrötung)
Kardiovaskulär Ruhetachykardie Frequenzstarre
GI (Gastrointestinal = Magen und Darm betreffend), Ösophagusdystonie (Speiseröhre Verkrampfung), Gastroparese (Verzögerung der Magenentleerung), Diarrhoe, Obstipation, Cholezystopathie (Erkrankung der Gallenblase)
Urogenital Blasenentleerungsstörung, erektile Dysfunktion.
Weitere Ausführungen von Frau Dr. Pitarokoili:
Die unterschiedlichsten, individuellen Ausfallerscheinungen bei GBS und CIDP und ihre Verteilung geben Hinweise auf eine individuell ausgerichtete Therapie, eben personalisiert.
- Fragebogen zur Selbstdokumentation können zur Verfügung gestellt werden.
Empfehlung: Polyneuropathiescreening (alle 2 Jahre) mit der Möglichkeit von zusätzlichen Erkrankungen mit Bezug zur Nervenschädigung (z.B. Diabetes). Überblick zu bekannten Untersuchungsmethoden (auch Antikörperuntersuchung per Blutentnahme, aber auch Untersuchung der Tränenflüssigkeit). Deren Bedeutung für eine personalisierte Therapie wurde deutlich.
In Abhängigkeit von den Untersuchungsbefunden kommt eine Palette von Medikamenten zum Einsatz: von Azathioprin über Rituximab bis zu evtl. einer Stammzellentransplantation. Generell immer auch unter Berücksichtigung des Impfstatus gegen Corona wegen Schwächung des Immunsystems. Damit einher muss auch immer eine Kontrolle auf Tumorentwicklung, insbesondere der inneren Organe, erfolgen.
Im Anschluss an den Vortrag und Fragebeantwortung von Frau Dr. Pitarokoili eröffnete Herr Dr. Kronlage seinen Vortrag mit dem grundsätzlichen Verständnis von „MR Neurographie“.
Grundsätzlich: Die Magnetresonanztomographie (MRT) – auch als Kernspintomographie bezeichnet – ist ein diagnostisches, bildgebendes Verfahren zur Erzeugung von Schnittbildern des menschlichen Körpers (keine belastenden Röntgenstrahlen wie beim CT) mittels Magnetfeldern mit hoher Feldstärke und einer speziellen Software. Die erste MR Neurographie erfolgte 1993.
In einer weiteren Folie zeigte Herr Dr. Kronlage die Unterteilung der MR Neurographie in Morphologische Bildgebung mit der Nervenstruktur und Funktionelle Bildgebung mit Mikrostruktur, Gewebezusammensetzung.
Für das Untersuchungsergebnis ist dabei entscheidend welche Schwellungen der Nerven (=Nervenschädigung) an welchen Stellen des Körpers erkennbar sind. Gerade bei der CIDP sind dann im Bereich des Lumbosacral Plexus diese Schwellungen gegenüber einem Gesunden deutlich erkennbar (eindrucksvolle Folie in der Gegenüberstellung). Ca. 60% der Patienten mit CIDP zeigen solche Schwellungen. – Der Plexus lumbalis versorgt darüber hinaus die Strecker und Adduktoren des Oberschenkels sowie sensibel die Vorderseite des Oberschenkels sowie die Vorder- und Innenseite des Unterschenkels.
– Verweis auf eine gemeinsame Studie mit Frau Dr. Pitarokoili 2016/2017 zur Untersuchung verschiedener Abschnitte des Nervensystems. –
Neben den Nerven werden bei der MR Neurographie auch die Muskeln wegen Schädigung angeschaut. Durch Messungen wurde die Korrelation zwischen Nervendicke und Nervenleitgeschwindigkeit festgestellt (Korrelation von Elektrophysiologie und MR Neurographie). Es gilt der Grundsatz, je dicker der Nerv anschwillt umso langsamer wird die Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie).
Als Teil der Forschungsarbeit stellt sich die noch ungeklärte Frage, „eignen sich quantitative Biomarker, wie z.B. die FA (Fraktionale Anisotropie) zur Therapie- Verlaufsbeurteilung oder zur Vorhersage der Therapie-Verlaufsbeurteilung?“
Abschließend bedankte sich Herr Dr. Kronlage bei den Kollegen, die an der Studie arbeiten, bei den Studienteilnehmern und den Teilnehmern des Gesprächskreises.
Zwei Nachfragen von allgemeinem Interesse sollen hier noch festgehalten werden:
Ist es möglich sich als GBS- CIDP (Kassen-) Patient in Heidelberg mit einer MR Neurographie untersuchen zu lassen?
Stellungnahme Herr Dr. Kronlage:
Ist möglich, in Verbindung mit Absprache mit dem betreuenden Neurologen (Überweisung Arztbrief). Terminvereinbarung mit der Neuroradiologie, Wartezeiten aktuell 6 – 10 Wochen. Ergebnisse sind als Baustein der gesamten neurologischen Diagnostik zu werten.
Zum Fragebogen (Bochum): kann die Selbsthilfegruppe den bekommen?
Stellungnahme Frau Dr. Pitarokoili:
Nach Abstimmung mit anderen Zentren/Kliniken und Veröffentlichung wird dies möglich sein (ca. 1 Jahr).
Mit den besten Grüßen aus der Kurpfalz
und … bleiben Sie gesund und virenfrei!
Hans Steinmassl