Online Gespräch mit Prof. Dr. Sommer – Schmerztherapie

Frau Professor Dr. Sommer ist Neurologin und leitende Oberärztin am Uniklinikum Würzburg. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind die Neuromuskulären Erkrankungen. Sie beschäftigt sich intensiv mit Schmerzen, insbesondere den verschiedenen Formen neuropathischer Schmerzen. Sie war bis vor kurzem Präsidentin der internationalen Schmerzgesellschaft und auch schon Präsidentin der Deutschen Schmerzgesellschaft. Sie ist bei den neurologischen Gesellschaften auf europäischer und auf deutscher Ebene engagiert. In der Klinik bietet sie mit ihrem Team eine Sprechstunde für Polyneuropathie und eine Sprechstunde für Schmerz an. Ihre Arbeitsgruppe forscht vor allem zur Ursache von Immun-Neuropathien, also GBS CIDP ähnliche Erkrankungen und auch zur Entstehung und zur Therapie von Schmerzen.

Prof. Sommer spricht über Schmerz beim Guillain-Barré-Syndrom und der CIDP und beginnt mit einem alten Bild aus dem Netter Atlas, das visualisiert, wie schnell es zum GBS kommen kann. Vom Kribbeln in den Füßen, dann nicht mehr aufstehen, Verlust der Reflexe eine Entwicklung in Tagen. Dann nach der Reha wieder im Idealfall als wäre nichts gewesen. Jede schnell fortschreitende Lähmung verdächtig auf ein GBS hinweist. Das Bild zeigt die Krankheit ist Monophase, das heißt sie kommt und geht wieder weg. Mit welchen Beschwerden man am Ende rauskommt hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Therapie.

Wir wissen, dass das GBS durch bakterielle Infekte, auch Virus Infekte, in seltenen Fällen auch Impfungen, hervorgerufen werden kann. Zuletzt, vor Corona, war das so bei der Zika Epidemie. Da war es eindeutig, so dass mit diesem neuen Zika-Virus Ausbruch die Anzahl der GBS-Fälle massiv angestiegen ist. Als dann Corona kam haben natürlich alle befürchtet das jetzt auch wieder so ein Virus  viele GBS-Fälle auslöst. Dazu zeigte Prof. Sommer eine Arbeit von 2021 aus Großbritannien. Man verglich die GBS-Fälle der gleichen Jahreszeit aus den Vorjahren mit 2020 als es Corona gab. Das Ergebnis: GBS-Fälle in Großbritannien waren niedriger als vorher. Die ersten Lockdowns und insgesamt weniger Infekte können vielleicht weniger GBS ausgelöst haben. Ganz geklärt ist das bis heute noch nicht.

GBS im Akutstadium wird mit Plasmapheresen oder intravenösen Immunglobulinen behandelt. Leider hilft beides nur bei etwa 60% der Patienten und nach wie vor kann man nicht vorhersagen auf was ein Patient besser anspricht. Im statistischen Vergleich sind Plasmapheresen oder Immunglobuline gleich gut. Kortison Präparate helfen nicht.

Zum Schmerz beim GBS, wissen wir, dass das akute GBS massive Schmerzen macht. Das sind  u.a. akute Rückenschmerzen durch Entzündung der Nervenwurzeln. Manche GBS-Patienten wurden mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall irgendwohin eingeliefert. Dann werden sie vielleicht wieder nach Hause geschickt und am nächsten oder übernächsten Tag kommt dann die Lähmung und das Bild sieht ganz anders aus. Akuter Rückenschmerz ohne Bandscheibenvorfall muss man immer kritisch betrachten, da ein GBS dahinterstecken kann. Bei starken Lähmungen, also Tetraplegie (heißt alle 4 Extremitäten können nicht bewegt werden), gibt es viele Ursachen für Schmerzen. Ein Teil der Schmerzen sind neuropathische Schmerzen, also die Nerven selber, die durch ihre Schädigung ans Gehirn Schmerz melden. Eine andere Ursache ist die Nervenentzündung. Weitere Ursachen für Schmerzen sind Gewebeschäden oder Gelenkschmerzen durch falsche Lagerung oder auch Thrombosen.  In der akuten GBS-Phase gibt es auch oft Kopfschmerzen. Nach der Rehabilitation plagen chronische neuropathische Schmerzen in der Erholungsphase und längerfristig darüber hinaus.

Prof. Sommer präsentierte eine Arbeit aus Holland. Von 156 Patienten mit GBS wurden die Schmerzstärke in Skalen dargestellt. 1 – 4 ist milder 5 – 7 ist schon deutlicher und 8 – 10 ist sehr, sehr starker Schmerz. In der akuten Phase haben 50% sehr starken und die anderen 36 % starken Schmerz. Über die Zeit dargestellt, nach 19 Wochen, 26 Wochen und einem Jahr haben doch relativ viele Menschen noch starke Schmerzen.

Man beobachtet, dass relativ viele Menschen im akuten GBS Stadium Kopfschmerzen haben. Welche Art von Kopfschmerzen wurde in einer Liste dargestellt. Diese starken Kopfschmerzen sind relativ rasch nach Beginn des GBS aufgetreten, einen Tag, 3 Tage, 5 Tage oder 8 Tage nach dem Beginn, teilweise mit weiteren Symptomen wie Verwirrtheit oder ganz starker Müdigkeit. In der Kernspintomographie (oder MRT) hat man bei einigen Patienten das sogenannte PRES gesehen, das posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom. Posterior bedeutet hinten im Gehirn, reversibel heißt es geht wieder zurück und Enzephalopathie steht für das Gehirn ist geschädigt. Man sieht es im MRT, es kann Kopfschmerz, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen oder Sehstörungen verursachen. Das muss man behandeln, insbesondere wenn der Blutdruck hoch ist, muss man es behandeln. Wenn ein Patient mit einem akuten GBS über Kopfschmerzen klagt, kann wirklich was dahinterstecken.

Von der deutschen Gesellschaft für Neurologie und von den anderen Fachgesellschaften haben wir Leitlinien, was wir tun sollen bei den Krankheiten. Der Abschnitt, was man beim GBS machen soll wenn Schmerzen auftreten, steht wirklich am besten in der Leitlinie zu GBS bei Kindern. Erstens müssen die Patienten auf einer Intensivstation behandelt und überwacht werden. Zweitens sollen Schmerzen mit ausreichend dosierten Analgetika, das kann Paracetamol oder Ibuprofen sein, auch mit Mitteln gegen neuropathische Schmerzen behandelt werden. Das ist die Gruppe der Antiepileptika oder Gruppe der Antidepressiva.

Zu den Formen der GBS oder CIDP beschreibt Prof. Sommer:
GBS – der Patient ist voll kräftig, es treten u.a. die Lähmungen ein und nach einer Plateauphase folgt die Erholungsphase.
Akut beginnende CIDP – dies fängt an wie ein GBS, also ziemlich plötzlich, aber die Erholungsphase kommt nicht und es wird langsam immer schlimmer.
GBS Sonderform – es wird erst besser, dann gibt es nochmal Verschlechterungen, aber am Ende geht es dann doch in die Erholungsphase.
Paranodopathie – sieht so ähnlich aus wie eine CIDP oder am Anfang wie GBS, aber es sind Antikörper im Blut die sich gegen die Paranodale Bereiche der Nerven wenden. Diese Patienten sprechen auf die CIDP-Therapie nicht an. Zur Therapie wird Rituximab  eingesetzt.

Die Myelinscheide wird unterbrochen durch die sogenannten Schnürringe. Diese beschleunigen die Nervenleitung. Die Ströme springen über diese Struktur. Spezielle Proteine halten das Axon und die Myelinscheide zusammen. Diese Region nennt man Paranodiom. Da sind diese Proteine gegen die sich Autoantikörper, bei dieser Form der CIDP, richten. 3 dieser Proteine, die hier für den Zusammenhalt zwischen Axon und Markscheide verantwortlich sind lauten: das Caspr das Contactin und das Neurofascin. Gegen alle diese könnten sich solche Autoantikörper richten. Blut von betroffenen Patienten kann man auf Nervenzellen von Mäusen geben. Die Antikörper können markiert werden, dadurch sieht man eine Anfärbung dieser Nervenstruktur, wobei die Lücke ausgespart wird, aber die Paranodale Region leuchtet. Prof. Sommer beschreibt einen jungen Patienten der von so etwas betroffen war. Er hatte seit kurzer Zeit eine CIDP, sehr stark und mit ungewöhnlich starken Schmerzen und die Behandlung half nicht. Nachdem die Antikörpern identifiziert wurden konnte er mit Rituximab behandelt werden. Lähmungen und Schmerzen gingen zurück. Solche Erfolgsgeschichten funktionieren nur, wenn die Ärzte dran denken oder die Patienten selber dran denken, dass so etwas auch sein könnte.

Prof. Sommer zeigte eine andere Darstellung der Paranodalen Region. Das Neurofascin gibt es in 2 Varianten, die haben unterschiedliche Nummern 155 und 186. Meist hat man Antikörper nur gegen 1 davon. Aber wenn man das Pech hat Antikörper gegen alle beide zu haben ist dies mit einem extrem schweren Verlauf verbunden. Das Beispiel eines Patienten: er konnte erst schlechter gehen, dann konnte gar nix mehr bewegen, noch nicht mal mehr das Gesicht und war locked in. Das sind Menschen, die mit vollem Bewusstsein daliegen aber sich kaum mehr äußern können außer meist noch durch Augenbewegungen. Alle möglichen Behandlungen halfen nicht. In diesem Zustand verblieb der Patient anderthalb Jahre. Nach der passenden Behandlung kann er jetzt wieder laufen. Einige Lähmungen werden auch nicht mehr ganz weggehen, aber er kann sich selbst versorgen. Manche dieser Patienten sind in der Vergangenheit aufgegeben worden, oder die Patienten selbst haben gesagt ich mag nicht mehr. Jetzt weiß man, es gibt diese Gruppe von Patienten, die solche Antikörper haben und wenn man die entfernen kann, können die Patienten wieder gesund werden. Prof. Sommer betonte, wenn man eine Krankheit sieht, die so ähnlich wie ein GBS beginnt, sich dann zu der CIDP auswächst, oft mit einem Tremor, also ein starkes Zittern verbunden, und wenn die Standardtherapie nicht helfen kann oder wenn der Verlauf so schlimm ist, dass die Patienten gar nichts mehr machen können, muss nach den Antikörpern geschaut werden.

Zu CIDP gibt es eine neue Leitlinie international, an deren Erstellung war Prof. Sommer beteiligt. Darin steht detailliert, was die Ärzte beachten müssen damit sie die Diagnose CDP stellen dürfen.

Es gibt:

die typische CIDP da hat man Lähmungen proximal und distal also am Oberschenkel und am Unterschenkel.

Distale Variante, da sind nur die Füße gelähmt.

Multifokale Variante, da ist die Lähmung asymmetrisch.

Andere Varianten sind alle sehr gut beschrieben.

Also auch in diesen Sonderfällen kann die Diagnose eindeutig gestellt werden. Das ist ja wichtig, damit die Therapien auch erfolgen und erstattet werden können. Die Ärzte müssen zur Diagnose die Nerven messen, also Elektrophysiologie durchführen. Es müssen eine ganze Menge Nerven elektrisch getestet werden. Das ist weder für die Patienten angenehm noch für die Ärzte, weil das Zeit kostet und mühsam ist. Um das richtig zu machen, muss man verschiedene Nerven am Arm testen und wenn das nicht sicher ist, muss man sie noch auf der anderen Seite testen. Wenn der Neurologe in der Praxis das nicht durchführen kann, muss der Patient in ein Zentrum überwiesen werden. Es gibt noch andere Methoden, die helfen die Diagnose zu stellen. Im Ultraschall sieht man die Nerven vergrößert. Durch Untersuchung des Nervenwassers, wegen der Eiweißkonzentration. Eine Biopsie braucht man heute nur noch sehr selten.

Die Behandlung der CIDP erfolgt mit Immunglobulinen (A) oder Kortikosteroid Präparaten (B), entweder als Puls IV Therapie alle paar Wochen oder auch als Dauertherapie. Diese macht aber mehr Nebenwirkungen. Die Plasmaparese kann eingesetzt werden, wenn jemand auf A und B nicht anspricht oder wenn es mal eine akute Verschlechterung gibt.

Zu Schmerzen bei der CIDP zitiert Prof. Sommer aus einer Arbeit von 1987. Von 92 CIDP-Patienten war bei 20% Schmerz ein Symptom und auch die Hauptbeschwerde. Es gab sowohl Brennschmerzen der Füße bis zu tiefem Muskelschmerz. In einer Arbeit von 2007 aus Frankreich wurde zusammengestellt bei welchen Patienten der Schmerz das erste Symptom einer CIDP war. Diese Patienten sind mit Standardbehandlung von Neuropathischen Schmerzen behandelt worden, aber auch mit der Immunmodulation und die Schmerzstärken sind runter gegangen, von 10 auf 8,5. Tendenz zur Besserung. Zwischen 2002 und 2010 wurden in Würzburg alle CIDP-Patienten auf Schmerzen befragt. Etwas über die Hälfte hatten Schmerzen. Damals sind noch sehr viele Patienten mit Kortison Präparaten und Azathioprin behandelt worden, das geschieht heute nicht mehr. Schmerzen wurden mit den Mitteln gegen neuropathische Schmerzen behandelt. Bei vielen sind die Schmerzen unter der kombinierten Behandlung deutlich besser geworden oder sogar weggegangen.

Experten streiten warum die CIDP schmerzhaft ist. CIDP ist eine Erkrankung der großen Nervenfasern. Für Schmerz sind die kleinen Nervenfasern zuständig. Inzwischen ist ausreichend gezeigt worden, dass auch bei CIDP die kleinen Nervenfasern betroffen sind. Prof. Sommer zeigt eine relativ neue Arbeit aus diesem Jahr aus Deutschland, aus einem CIDP-Register, Bochum und andere Zentren sind beteiligt. 46% hatten neuropathische Schmerzen, weitere Betroffene hatten andere Schmerzarten. Es wurde berechnet wie der Schmerz zum Beispiel mit Ermüdbarkeit, mit Depressionen, mit Behinderung und weiteren Erkrankungen zusammenhängt. Ein starker Zusammenhang mit Depressivität und auch mit der Anzahl der weiteren Krankheiten wurde deutlich.

Zur Behandlung chronischer Schmerzen bei einer Neuropathie oder nach einer Neuropathie kamen leider in den letzten Jahren keine neuen Optionen hinzu. Es gibt die Antidepressiva, Amitriptylin und Duloxetin, die Antiepileptika, dazu gehören das Pregabalin, Gabapentin und Carbamazepin, Opioide werden zurückhaltend, aber im Notfall, gegeben. Eine Behandlungsoption ist die lokale tropischen Behandlungen, die schmerzhafte Stelle wird behandelt. Mit einem Lokalanästhetikum wie Lidocain, mit Capsaicin Pflaster kann behandelt werden, oder mit Botulinumtoxin, das ist aber nicht zugelassen. Zu Capsaicin, die Salben aus der Apotheke sind relativ schwach 0,04%. Das Pflaster mit 8% brennt, wenn es auf den Fuß aufgetragen wird, ein paar Stunden, danach geht der Schmerz runter das kann bis zu 3 Monate anhalten. Das funktioniert aber nur wenn das Schmerzareal relativ klein ist. – Achtung! Nicht zur Selbstanwendung geeignet. –  Prof. Sommer beschreibt die Anwendung von Botulinumtoxin als eher experimentell. Bei Schmerz ist es in kleine Schmerzgebiete injiziert worden. Botox ist ein Nervengift es verhindert wahrscheinlich, dass die Nervenendigungen hier Überträger Stoffe ausschütten und somit Schmerz machen. Sie zitiert aus einer Studie, die auch in Würzburg durchgeführt wurde. Patienten, die mit dem Botox behandelt wurden, hatten weniger Schmerzen als die mit der Scheinbehandlung. Der Schmerz geht von sechseinhalb auf 5 zurück, schon ein Erfolg (Scala von 1 bis 10). Es konnte gezeigt werden, diejenigen die besonders gut reagiert hatten, hatten noch Nervenfasern in der Haut. Bald wird eine neue Studie begonnen, eine Firma interessiert sich dafür und will das als Mittel auf den Markt bringen. Bisher werden aber nur Zoster und Post-Zoster Schmerz und Nervenverletzungen in diese Studie eingeschlossen.

Hoffnung auf neue Medikamente liegt vielleicht in speziellen Natriumkanal-Blockern, die sind oft in Giften aus verschiedenen giftigen Insekten und anderen Tieren. Die wirken zum Teil sehr speziell auf irgendeine Stelle am Natriumkanal sodass nur der Nerv blockiert würde, aber nicht das Herz und nicht die Niere. Eine Studie war auch ein bisschen positiv aber nicht genug, sodass die Firma es nicht weiterverfolgt hat. Würzburg hatte an einer Studie mit Lachgas teilgenommen. Die Studienteilnehmer haben über eine Maske ein Lachgasgemisch eingeatmet. Die Schmerzen reduzierten sich nicht signifikant im Vergleich mit der Placebogruppe. Das sollte eine anhaltende Wirkung über 4 Wochen haben. Bei Patienten, die eine 30% Reduktion ihrer Schmerzen angaben, hatte das echte Lachgas besser gewirkt als das Placebo. Deutlicher war der Effekt bei Patienten die sehr schwere Schmerzen hatten und mit Opioiden behandelt wurden. Bei denen hat Lachgas besonders gut geholfen. Der Zusammenwirkung von dem Opioid mit dem Lachgas ist ein interessanter Pfad, der noch verfolgt werden soll.

Cannabis hat eine ganz lange Geschichte in der Schmerzbehandlung. Man hat die Stoffe daraus isoliert, hat gesehen an welche Rezeptoren es im Körper bindet und hat daraus Präparate entwickelt. Prof. Sommer zitiert Kollegen, die im letzten Jahr alle Studien, die zu Cannabispräparaten bei Schmerz gemacht wurden zusammenstellten.

Bei einer Studie zeigt das Präparat bei neuropathischem Schmerz eine geringe Wirkung, beim Rückenschmerz sieht man einen erstaunlich guten Effekt der Schmerzlinderung. In diesem Artikel wurde nicht Cannabis angewandt, sondern ein Fettstoff, Palmitoylethanolamid. Wir kürzen das meist ab mit PEA. Das ist ein Nahrungsergänzungsmittel aus der Gruppe der Fettstoffe. Die meisten Patienten, die dieses PEA eingenommen haben, und zwar in der hohen Dosis zeigten eine hervorragende Wirkung auf ihre Rückenschmerzen. Dieses PEA wirkt auf den Capsaicin Rezeptor aber auch über ein paar Umwege auf den Cannabinoid-Rezeptor.

Prof. Sommer fasste zusammen:

Schmerzen können leider auch nach ausgeheilter Nervenläsion auftreten, weil Schädigungen übrigbleiben. Wenn die Schmerzen sehr lokal begrenzt sind, dann ist es ratsam sie lokal zu behandeln. Dies reduziert Nebenwirkungen, wie Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit. Wenn man trotzdem eine systemische Behandlung, also Behandlung des ganzen Körpers braucht, gibt es eine Reihe etablierter Medikamente. Zu Cannabis sind noch viele Fragen offen.

Virus Infekte und Impfungen können das Immunsystem stimulieren sodass Neuropathien auftreten. Die Corona Infektion hat wahrscheinlich zu keinem vermehrten GBS geführt und die Corona Impfungen noch weniger. GBS oder CIDP sind also zahlenmäßig nicht vermehrt aufgetreten. Natürlich gibt es Einzelfälle von GBS oder CIDP in dem Zusammenhang mit COVID-19 bzw Impfung.

Prof. Sommer zeigte ein Bild ihres Teams in Würzburg. Sie dankte diesen jungen motivierten Leuten und den Gesellschaften, die ihre Arbeit unterstützen.

Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Schmerzentwicklung gerade bei älteren Patienten mit GBS gemacht?

Prof. Sommer: Die meisten, die ich verfolgen konnte da hat der Schmerz mit der Zeit abgenommen, ja langsam, aber stetig mit den Schmerzen. Ich kann mich jetzt an keinen GBS CIDP Fall im höheren Lebensalter erinnern, wo es nochmal so einen zweiten Anlauf mit den Schmerzen gab, also wo es besser wurde und dann nochmal schlechter. Ich kenne natürlich einige schwierige Behandlungen, wo man einiges versucht und dann wegen Nebenwirkungen wieder absetzen muss. Der spontane Verlauf geht eher in Richtung besser werden, wenn auch in vielen Fällen langsam besser werden.

Nachfrage: Heißt das Regeneration der Nerven?

Prof. Sommer: Wir können ja nicht so richtig reinschauen, wir können dann immer elektrophysiologisch messen und erfreulicherweise sehen wir dann auch bessere Messwerte. Das korreliert nicht immer mit den Schmerzen. Die großen Fasern können wir gut messen, die kleinen Fasern sind für den Schmerz verantwortlich, die können wir nicht so gut messen. Das ist den meisten Patienten egal, die wollen nur dass der Schmerz weniger wird. Es ist ganz wichtig die Regeneration zu fördern. Bessere Regeneration erhöht die Chance, dass auch die Schmerzen weniger werden.

Frage: Sie sagten, dass die Impfung nicht korreliert mit dem CIDP. Was ich erlebt habe nach einer Impfung entspricht ihrer Beschreibung. Ein Bandscheibenvorfall wurde vermutet, dann CIDP festgestellt. Die Frage ist, kann man nachweisen, dass CIDP von der Impfung kommt?

Prof. Sommer: Genau, also ich wollte nur sagen zahlenmäßig statistisch gesehen gibt es keinen Anstieg der Fälle. Früher hat man wegen der Grippe Impfung geschaut. Da gibt es einen ganz schwachen Anstieg der GBS. Bei jeder Grippe Impfungen hat man das Risiko GBS zu bekommen aber das Risiko ist sehr gering und viel geringer als an der Grippe zu sterben und mit den Corona Impfungen scheint es ähnlich zu sein.

Nachfrage: Am Ende auch egal, weil man sich ja mit den Folgen auseinandersetzen muss.

Prof. Sommer: Ich hoffe es ist gemeldet worden, denn nur wenn es gemeldet wird dann kriegen wir die Zahlen und dann kommen auch Erkenntnisse, dass zum Beispiel ein Impfstoff in Bezug auf diese oder jene Nebenwirkungen gefährlicher ist als der andere, wie wir es bei den Sinus Thrombosen bei den Jungen Frauen gelernt haben und das dann halt in dieser Altersgruppe nicht mehr gegeben werden dürfte.

Frage: Werden die Natriumkanäle von Antidepressiva und Antiepileptika blockiert, oder gibt es anderen Wirkungshintergrund

Prof. Sommer. Bestimmte Antiepileptika blockieren die Natriumkanäle. Von den Antidepressiva blockiert das Amitriptylin auch die Natriumkanäle. Die Hauptwirkung der Antidepressiva bei Schmerz erfolgt in der Hemmung der Serotonin Adrenalin Wiederaufnahme Hemmung. Die Neurotransmitter sind dann zentral vermehrt vorhanden und stärken die schmerzhemmenden Bahnen.

Nachfrage: Gabapentin und Pregabalin?

Prof. Sommer: Die blockieren Kalziumkanäle im Rückenmark wodurch sie die Ausschüttung von weiteren Neurotransmittern, überwiegend Glutamat, hemmen und somit die Schmerzweiterleitung hemmen. Daher ist es auch ja immer wieder probiert worden Mittel mit verschiedenen Mechanismen zu kombinieren. Statt von einem eine sehr hohe Dosis zu geben, die dann vielleicht Nebenwirkungen macht, ist eine Kombination zu empfehlen. Wenn jemand mit einem Medikament gut zurechtkommt und das hilft, dann sollte man es dabei belassen. Aber wenn jemand von Pregabalin schon 450 Milligramm hat und es hilft alles nicht so richtig, dann sollte man überlegen, zurückzugehen auf 300 und was anderes niedrig dosiert dazuzugeben, dann kann die Kombination manchmal besser helfen.

Nachfrage: Nervenheilung also Regeneration könnten sie das vielleicht noch ein bisschen konkretisieren?

Prof. Sommer: Medikamentös gibt es leider nichts Gescheites, was Regeneration wirklich fördert. B Vitamine ja schadet nicht, sowas wie Keltican sollte theoretisch das Nervenwachstum fördern, so richtig bewiesen ist es auch nicht. Auf jeden Fall hilft Physiotherapie. Da weiß man am besten, dass es was tut. Wenn man viele sensible Ausfälle hat, also viele Taubheitsgefühle, dann hilft stimulieren, Massagetechniken mit oder mit Kälte Wärme.

Frage: Gibt es fundierte Erfahrungswerte mit Ernährungsumstellung und dem Weglassen bestimmter Allergene und als zweite Frage können Messung der Nervenleitgeschwindigkeit eine sensible Neuropathie verschlimmern.

Prof. Sommer: Die zweite Frage zuerst, die Antwort ist nein, können Sie nicht. Die Messungen können unangenehm sein, manche Menschen sind da sehr empfindlich, und können zum Beispiel Schmerzen für ein paar Stunden oder einen ganzen Tag noch verstärken aber die machen keine dauerhafte Beschädigung.

Nahrungsumstellung, jein also am ehesten bei Diabetes oder Prädiabetes. Es gibt Menschen, die haben keinen wirklichen Diabetes und die haben so ein bisschen Neuropathie Beschwerden hauptsächlich brennen und Taubheitsgefühl. Auf Diät gesetzt wird bei einigen das Brennen weniger. Also da gibt es die Erfahrung das hilft. Allergene, zum Beispiel bei der echten Zöliakie, kann man auch eine Neuropathie bekommen vor allem eine Small Fiber Neuropathie und die kann sich natürlich bessern, wenn man das Allergen weglässt. Das sind sehr spezielle seltene Sachen, die dann im Einzelfall untersucht werden müssen.

Frage: Die NLG-Messungen sind schlechter als das subjektive Empfinden. Er kann wieder laufen und sein Neurologe sagt, eigentlich dürfte er gar nicht laufen können, weil die Messung so extrem schlecht ist. Zweite Frage von ganz jungem Patienten mit mehrfachen Rückfällen. Also wir reden hier von von 4 Verschlechterungen im Zeitraum von 7 Wochen.

Prof. Sommer: Frage 1 kann wieder laufen, obwohl die Messungen eher schlechter geworden sind. Wir messen am Bein den Tibialisnerven oder den Peronäusnerven. Die laufen unten ab Unterschenkel und wir leiten ab von kleinen Fußmuskeln. Wir messen also eigentlich, was diese kleinen Fußmuskeln machen. Das sind die längsten Nerven, die dahin gehen. Die erholen sich auch meist schlecht. Zum Gehen braucht man die Oberschenkelmuskel. Da können wir gar nicht gut messen, weil die Nerven da tief im Gewebe liegen. Da müssten wir so viel Strom draufgeben, dass es wirklich weh tun würde. Deswegen passt die Messung, die wir machen mit der Gehfähigkeit gar nicht gut zusammen.

Die Frage mit dem wiederholten GBS das ist schon sehr oft ja das kann in Richtung CIDP gehen das kann aber genauso auch in Richtung dieser Autoantikörper-Krankheit gehen, über die ich gesprochen habe und da wäre es sinnvoll bei dem jungen Mann das Blut daraufhin zu untersuchen.

Frage: Ich wollte nur meine Erfahrung mit der Schmerzbehandlung hier kurz kundtun. Ich habe seit 18 Jahren ein schleichendes CIDP, vor allem starke sensible Störungen. Erst die Kombination von Duloxetin und Pregabalin hat einen wirklich deutlichen Effekt gebracht. Zusätzlich wollte ich noch sagen, dass die die Therapie mit Krankengymnastik nach Bobath vor allem Streckungen Dehnungen der Muskeln eine deutlicher Besserung auf der Schmerzempfinden hat.

Prof. Sommer: Dankeschön für diese Rückmeldung, das bestätigt mich sehr, dass man diese Kombination doch öfter empfehlen soll. Mir geht es manchmal so, dass Patienten, wenn ein Medikament nicht so richtig gewirkt hat oder Nebenwirkungen gemacht hat dann frustriert sind und nichts mehr probieren wollen. Ihre Erfahrung kann andere motivieren.

Frage: Gibt es eigentlich so einen Leitfaden wie man mit CIDP umgeht und was man tut nachdem das festgestellt worden ist?

Prof. Sommer: Es gibt ja diese Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für die Immunneuropathien. Die ist primär für die ärztlichen Kollegen geschrieben. Wenn sie keine Angst vor Fachsprache haben, dann können Sie sich natürlich auch die reguläre Leitlinie runterladen die sind alle frei zugänglich im Netz link

Wir danken Prof. Dr. Sommer für die ausführliche Darstellung und den verständlichen Vortrag. Die Beantwortung der Fragen war bereichernd. Unser Dank für ihr Engagement in der Forschung schließt ihre Arbeitsgruppe mit ein. Die zweite Preisträgerin unseres Förderpreises-Haarmann ging an Dr. Stengel aus dieser Gruppe.