Stichwort Patiententreffen: Kann Stress übertragen werden?

Wir waren am 24.04.2024 wieder in Hannover zu Gast.

Laut einer jüngst erschienenen Studie kann Stress innerhalb einer Gruppe, aber auch von einer Person zur anderen übertragen werden. Da ich nach dem Lesen dieser Studie damit begann mein nächstes Patiententreffen zu planen, beschäftigte mich der Gedanke, wie eventuell entstehender negativer Stress innerhalb eines Gesprächskreises auftreten kann und wodurch er vermieden werden könnte. Wenn ja, was sind dafür die Voraussetzungen? wie schaffe ich eine positive Grundstimmung? Wie kann ich als Gastgeberinn also dafür sorgen, dass meine Treffen möglichst nur positive Gefühle bei den Teilnehmern hervorrufen, dass also ein vertrauensförderndes und harmonisches Miteinander praktiziert wird?

„Bei Mensch und Tier können wir beobachten, wie physiologische Zustände untereinander übertragen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Stress. Stress ist eine natürliche Reaktion, die meist durch eine Bedrohung der physischen oder psychischen Unversehrtheit verursacht wird. Menschen und Tiere als soziale Wesen erleben Stress häufig in Gruppensituationen. In Experimenten untersuchten Forschende der Universität Konstanz die Übertragung von Stress von einem Individuum auf eine Gruppe, aber auch die Stressübertragung innerhalb von Gruppen. So konnte gezeigt werden, dass einige, aber nicht alle Stresssysteme bei der Stressübertragung aktiviert werden. Die Stressübertragungsreaktion hat einen ähnlichen Verlauf wie die Reaktion auf selbst erlebten Stress, jedoch in geringerem Ausmaß. An Experimenten konnte gezeigt werden, dass Mäuse, die mit gestressten Mäusen zusammenleben, ein erhöhtes Stresshormon-Level haben. Sie sind zurückhaltender und vorsichtiger, während nicht gestresste Mäuse aktiver und mutiger sind: Letztere verhalten sich neugierig und erkunden vermehrt ihre Umgebung.

Stress kann nicht nur kollektiv übertragen werden, sondern es findet auch eine physiologische Synchronisation zwischen den Gruppenmitgliedern statt – sogar zwischen Tieren und Menschen. Ein Bereich, in dem physiologische Synchronität beobachtet wird, ist die Reittherapie: Die Herzfrequenzvariabilität von Patient*in und Pferd innerhalb und im Verlauf der Behandlungstermine wird immer ähnlicher. Anhand aller durchgeführten Experimente konnten die Forschenden nachweisen, dass Stressübertragung und physiologische Synchronisation zwischen den Gruppenmitgliedern stattfindet“.

Was also tun, damit alle Teilnehmer unserer Patiententreffen weniger negativ gestresst, aber dafür noch mutiger und aktiver aus den Gesprächsrunden herausgehen? Dazu habe ich einige Aspekte herausgefiltert, die dabei helfen können eine noch entspanntere Atmosphäre zu schaffen. Immerhin werden von allen Teilnehmern ja sehr persönliche Informationen preisgegeben, die ganz oft auch starke Emotionen wachrufen. Damit der Ablauf der Gruppentreffen möglichst reibungslos funktioniert und sich eine Atmosphäre des Vertrauens entwickeln kann, sollte man folgendes beachten:

Allen Teilnehmern sollte die Vertraulichkeit der Gespräche am Herzen liegen.

  • Alles, was in der Gruppe besprochen wird und geschieht, wird nicht nach außen getragen.
  • Wer möchte, muss seinen Namen nicht nennen und kann anonym bleiben.
  • Störend wird es auch oft empfunden, wenn Teilnehmer zu spät eintrudeln und unter Umständen in ein sehr emotionales Gespräch platzen.
  • Aufmerksames Zuhören ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Treffen.
  • Jeder Zuhörer sollte zu Wort kommen.
  • Seitengespräche mit den Sitznachbarn können stören. Meist sind dies wichtige Beiträge, die für alle interessant sind.
  • Auf Emotionen und vorübergehende Konzentrationsstörungen während der Gesprächsrunde sollte Rücksicht genommen werden.

Ich werde in Zukunft auf jeden Fall noch intensiver darauf achten, dass all diese Aspekte berücksichtigt werden, damit einem stressfreien Patiententreffen nichts mehr im Weg steht. In Hannover hat dies jedenfalls sehr gut funktioniert und wir bedanken uns für ein harmonisches und einfühlsames Miteinander. Interessiert am Austausch waren neben CIDP und GBS-Betroffenen auch eine Person mit Miller-Fisher-Syndrom, eine MMN-Patientin sowie eine Anwesende, die den Verdacht auf MADSAM noch abklären lassen muss. Wir machten in diesem Zusammenhang auf die am 13. April in Bochum vorgestellte Ultraschall- und Sonographie-Diagnostik aufmerksam. Genaueres zu diesen Verfahren erfahren Sie im aktuellen Journal.

Sabine Nett

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